Die wichtigsten Fragen zum Radtraining auf der Rolle

"Kein großes Kettenblatt vor Weihnachten!" Nur eine von zahlreichen verstaubten Trainingsweisheiten, die mittlerweile von der Sportwissenschaft widerlegt wurden. Strukturierte Intervalle stehen inzwischen ganzjährig auf dem Trainingsplan – und nirgendwo trainiert es sich so effizient wie indoor – auf der Rolle: keine widrigen Wetterbedingungen, kein Straßenverkehr, die ideale Trainingsstrecke immer parat.

Selbst Wettkämpfe in den eigenen 4 Wänden sind möglich und tragen zum Trainingsfortschritt bei. Vorbei also die Zeit, als das auf der Rolle fahren eine Notlösung für stundenlanges Grundlagentraining war – und so Langeweile und nur mäßigen Erfolg garantierte. Doch auch das strukturierte Indoortraining wirft Fragen auf, vor allem was Dauer, Intensität, Ernährung und Erholung angeht.

Wenn du also im Winter vermehrt auf der Rolle deine Kilometer abspulst, solltest du die typischen Fehler vermeiden. So machst du im Winter einen gewaltigen Schritt nach vorn und nimmst deine Saisonziele optimal vorbereitet unter die "echten" Räder.

Wie lang sollte eine Indoor-Einheit mindestens dauern?

Auch wenn Rollentraining sehr zeiteffizient ist – Radsport ist eine Ausdauersportart, bei der eine gewisse Mindestdauer pro Einheit notwendig ist. Diese hängt jedoch stark von deinen Trainingsinhalten und -zielen ab: Eine hochintensive Einheit sollte wenigstens 45 Minuten dauern – schließlich must du auch Zeit für das Aufwärmen und Ausfahren einkalkulieren. Selbst wenn du für beides je zehn Minuten einplanst, bleiben dir noch 25 Minuten für die Kerninhalte der Trainingseinheit – für ein 3 x 10-minütiges Intervalltraining reicht die Zeit also nicht aus, sodass du diese Einheit entsprechend länger einplanen müsstest.

Wie kann ich "lange Einheiten" bestmöglich auf der Rolle durchführen?

Selbst mit Apps wie Zwift & Co. bleibt das Indoortraining eine mentale Herausforderung. Zu groß ist die Versuchung, einfach abzusteigen – schließlich ist man ja schon zu Hause. Was also tun, wenn das Wetter draußen schlecht ist, du aber eine lange Grundlageneinheit absolvieren willst? Indoor gibt es keine Tretpausen, daher kann man das Training zeitlich etwas abkürzen. Von daher kann ein z.B. dreistündiges Grundlagentraining auch in zwei bis zweieinhalb Stunden absolviert werden.

Eine weitere Option besteht darin, das Training über den Tag aufzuteilen – also morgens 60 Minuten zu fahren und abends den Rest nachzuholen. Das ist aber nur eine Notlösung und bildet nicht zu 100 Prozent den Effekt einer langen Einheit ab.

Warum ist Rollefahren effizienter als Straßentraining?

Keine Kreuzungen, keine Ampeln, keine Abfahrten: Auf der Rolle wird permanent getreten, der Organismus arbeitet durchgehend. So geht keine Zeit verloren, die man draußen durch Rumstehen oder Tretpausen ansammelt. Dank der "Laborbedingungen" lassen sich Intensität und Dauer von Intervallen indoor zudem optimal steuern – es gibt keine externen Einflüsse, die den Ablauf stören könnten.

Hinzu kommt, dass beim Draußenfahren im Winter viel Zeit für das An- und Ausziehen sowie für die Radwäsche und -pflege draufgeht. Auf der Rolle reichen Radhose, Socken, Unterhemd und Schuhe – schon kann es losgehen.

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Warum trete ich indoor weniger Leistung als draußen – und wie gehe ich damit um?

Wer mit einem Leistungsmesser trainiert, wird auf der Rolle schnell feststellen, dass dieselbe Wattzahl dauerhaft deutlich schwerer zu halten ist als draußen. Bis zu zehn Prozent Leistungsverlust sind keine Seltenheit – gemessen mit demselben Powermeter. So reduziert sich eine FTP von 300 Watt indoor schnell auf 270 Watt – was sich gravierend auf deine Trainingsbereiche auswirkt.

Der Unterschied hat zwei Ursachen: fehlender Fahrtwind und fehlende kinetische Energie. Ersterer lässt sich durch ein offenes Fenster und/oder einen Ventilator einigermaßen gut simulieren. Denn: Wer überhitzt, reduziert seine Leistungsfähigkeit drastisch, da der Körper enorm viel Energie für die Kühlung aufbringen muss.

Hauptursache für den Leistungsverlust ist jedoch die fehlende kinetische Energie, die sich indoor nicht simulieren lässt. Auf der Rolle treten Sie quasi permanent gegen eine Bremse an – das System kommt nie in Schwung. Selbst moderne Smarttrainer weisen eine vergleichsweise kleine Schwungmasse auf und müssten exorbitant schwerer sein, um ein realistisches Fahrgefühl zu erzeugen – zulasten ihrer Handlichkeit. Die Lösung: Mache einen Indoor-Leistungstest und nutze die dabei ermittelten Trainingsbereiche ausschließlich für dein Rollentraining.

Was taugen die Trainingspläne, die Zwift, Wahoo oder TrainerRoad anbieten?

Eine gesteigerte FTP binnen sechs bis acht Wochen – die Trainingspläne der Trainingsplattformen klingen oft verlockend. Wer möchte nicht gern innerhalb kurzer Zeit seine Leistungsfähigkeit deutlich verbessern, ohne Geld für ein professionelles Coaching auszugeben?

Offensichtlich sind diese Pläne nicht individuell zugeschnitten – zum Beispiel, wenn ein Plan auf acht Wochenstunden ausgelegt ist, du aber nur sechs Stunden zur Verfügung hast. Dann musst du genau wissen, welche Einheiten du kürzen kannst. Für den kurzfristigen Erfolg können die Pläne zwar durchaus herangezogen werden, wer allerdings langfristige Ziele verfolgt, sollte sein Training individuell strukturieren.

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Wie hart darf ich im Winter trainieren, ohne mich dabei für die Saison zu "verheizen"?

Die Dosis macht das Gift. Intensive Einheiten gehören genauso in den Trainingsplan, wie ruhige Fahrten und Ruhetage. Ein bis zwei intensive Sessions pro Woche sind ein guter Anhaltspunkt, um langfristig Fortschritte zu erzielen – immer abhängig von deinen Saisonzielen und individuellen Schwächen.

Höre auf deinen Körper: Wenn du dich von der Arbeit oder dem Alltag müde und schlapp fühlst, dann absolviere lieber eine ruhige Einheit oder lege einen kompletten Ruhetag ein. Gleiches gilt übrigens auch bei einer sich anbahnenden Erkältung: Ein oder zwei trainingsfreie Tage schaden dem langfristigen Formaufbau fast gar nicht, während eine mehrwöchige Zwangspause durch einen verschleppten Infekt deine komplette Saison ruinieren kann.

Mache ich mit Straßen oder Gelände-Einheiten meinen Rollentrainingsplan kaputt?

Ein guter Trainingsplan zeichnet sich durch einen gelungenen Mix aus intensiven und lockeren Einheiten aus. Vor allem letztere eignen sich hervorragend, um sie trotz Kälte draußen zu absolvieren. Speziell das Training im Gelände schult die Radbeherrschung, die auf der Rolle vernachlässigt wird.

Trainieren Sie zur Abwechslung ruhig mal draußen.

Denke auch hier langfristig: Wer den kompletten Winter nur in den eigenen vier Wänden trainiert, schafft wenig Abwechslung – was dazu führen kann, dass du die Motivation für das Training verlierst und so die Fortschritte der letzten Wochen zunichtemachst.

Wie lange dauert die Regeneration nach einer Rollen-Einheit?

Was auf der Straße gilt, zählt auch auf der Rolle: Nur mit der richtigen Erholung kann dein Körper die gesetzten Reize verarbeiten, sich anpassen und stärker werden. Dazu zählen in erster Linie eine Dusche sowie das rasche Auffüllen der Energiespeicher und Ausgleichen des Flüssigkeitsverlustes. Ob indoor oder draußen – die Dauer der Regeneration unterscheidet sich nicht explizit.

Aber: Da drinnen auf der Rolle meist intensiver als draußen trainiert wird, solltest du nach einer Rollen-Einheit nach Möglichkeit die Beine hochlegen, keine größeren Besorgungen mehr erledigen – und für den folgenden Tag eine lockere Session oder einen Ruhetag einplanen.

Eignen sich Online-Rennen als intensive Trainingseinheiten oder können sie diese gar ersetzen?

Online-Rennen sorgen durch ihren Wettkampfcharakter für Abwechslung und bieten einen hohen Trainingsreiz in kurzer Zeit. Erfahrungsgemäß sind sie allerdings vom ersten Meter an hochintensiv – und werden bis ins Ziel nicht leichter. Ideal also zum Auspowern und für das Gefühl, ein sehr gutes Workout absolviert zu haben – auch weil die meisten Radsportler in einer Rennsituation eher ihr Maximum abrufen können als bei einer Trainingseinheit. Wichtig: Wärme dich vor einem Online-Rennen gut auf – es geht vom Start weg zur Sache.

Vor dem Rennen: ordentlich aufwärmen!

Allerdings gilt auch: Arbeite nach deiner Saisonpause zunächst an deiner Grundlage und nutze anschließend die Online-Rennen sparsam – und gezielt. Mehr als zwei hochintensive Einheiten pro Woche sind für die meisten Radsportler auf Dauer zu viel. Wer mehrmals pro Woche an der digitalen Startlinie steht, riskiert durch eine permanent hohe Erschöpfung Übertraining sowie Verletzungen – und baut so dauerhaft keine Form für den Sommer auf.

Muss ich bei der Verpflegung etwas ändern?

Da Einheiten auf der Rolle überwiegend deutlich kürzer ausfallen als das Training auf der Straße, brauchst du keine Unmengen an Nahrung – vor allem, wenn die letzte Mahlzeit etwa zwei bis drei Stunden zurückliegt. Der Fokus sollte während des Indoortrainings vor allem auf der Flüssigkeitszufuhr liegen. Auch mit dem besten Ventilator kommst du je nach Intensität stark ins Schwitzen und scheidest so wichtige Mineralien aus. Stelle also schon vorab genügend Getränke bereit – idealerweise nicht nur reines Wasser, sondern mit Mineralien versetzt.

Bei intensiven Einheiten von über 90 Minuten solltest du zudem genügend Riegel oder Gels griffbereit haben – denn nichts stört den Ablauf mehr, als bei Puls 190 das Training unterbrechen zu müssen oder sich von der Partnerin / dem Partner verpflegen zu lassen. Indoor wie outdoor solltest du nach dem Training deine Energiespeicher ohnehin möglichst schnell wieder auffüllen.

Thomy