Unabhängigkeit
Auch im stressigen Alltag können wir unsere Kinder mit ein paar kleinen Anregungen dabei unterstützen, unabhängiger und selbstständiger zu werden – ganz ihrem Alter entsprechend natürlich.
Es ist gar nicht leicht für uns als Eltern, die Kontrolle mehr und mehr abzugeben, loszulassen und die Kinder nicht immer vor allem beschützen zu wollen. Und das Loslassen beginnt ja schon früh: Erst mit dem Kita-Start, dann kommt die Schule, dann allein dorthin oder zu Freund:innen laufen oder mit dem Fahrrad fahren zu wollen und so weiter…
Und auch für unsere Kinder ist es nicht leicht: Sich von den Eltern zu lösen, fühlt sich mutig an und verunsichert zugleich. Immerhin waren und sind wir immer der sichere Hafen, ihr Schutz in allen Lebenslagen.
Aber: Genau wie wir Erwachsenen müssen auch Kinder hier und da aus ihrer Komfortzone gelockt werden – liebevoll und begleitet natürlich –, um neue Fähigkeiten und Selbstvertrauen aufzubauen. Kleine Herausforderungen meistern, die ihnen das Leben auch schon in jungen Jahren vielleicht stellt. Wir begleiten sie dabei Schritt für Schritt, damit sie sich irgendwann, wenn sie groß sind, sicher, unabhängig und voller Vertrauen durch ihr Leben bewegen können.
Mit Mut und Vertrauen zu mehr Unabhängigkeit
Unsere Kinder beim Selbstständigwerden zu begleiten und ihnen zuzusehen, ist ein Geschenk und gleichzeitig auch ein Kampf. Wir sollten uns immer daran erinnern, dass wir, indem wir alles für sie tun, sie es selbst nicht tun oder lernen können. Das ist eine harte Einsicht, hilft aber, lockerer zu lassen. Hier müssen auch wir Eltern mutig sein und Vertrauen haben.
7 kleine Wege, wie wir Unabhängigkeit fördern
1. Fehler machen lassen
Am liebsten wollen wir unsere Schätze immer vor allem bewahren, aber, so schwer es uns fällt, sie müssen auch lernen, eigene Fehler zu machen. So spüren sie auch, dass es ganz natürlich und überhaupt nicht schlimm ist. Es nimmt ihnen die Angst davor und stärkt sie, wenn wir ihnen zeigen, dass es okay ist, und zusammen überlegen, wie sie es beim nächsten Versuch anders machen können. Fehler sollten als Möglichkeit gesehen werden, daraus zu lernen. Denn: Niemand ist perfekt, das ist in Ordnung so. Lieber zeigen wir unseren Kindern dadurch, dass es auch einmal Abweichungen gibt oder etwas nicht so läuft wie geplant. Wichtig ist nur, wie wir damit umgehen. Trotzdem ist es natürlich nicht leicht für uns Eltern, zu sehen, wie unsere Kinder straucheln. Sie aber zu unterstützen und zu bestärken, hilft ihnen, besser mit Fehlern und Rückschlägen umzugehen.
2. Aufgaben im Haushalt geben
Viele Kinder wollen sich einbringen und helfen. Indem wir ihnen kleine, altersgerechte Aufgaben auftragen, stärken wir sie. Das kann das Ausräumen der Spülmaschine sein, den Tisch zu decken oder auch einen Teil des Kinderzimmers selbst aufzuräumen. Wichtig dabei ist, dass es kleine Aufgaben sind, die wirklich sinnvoll sind (Einkäufe verräumen beispielsweise) und die Kinder aufgefordert werden, mitzudenken: Was sollte in den Kühlschrank, was kann draußen bleiben? Muss etwas in das Tiefkühlfach oder gibt es Obst für den Obstkorb? Viele kleine Teilaufgaben ergeben am Schluss dann die ganze Aufgabe, die unsere Kinder letztlich irgendwann ganz ohne unsere Hilfe ausführen können und zu Recht mächtig stolz darauf sein werden.
3. Wahlmöglichkeiten und Freiheiten ermöglichen
Es gibt Regeln und Grenzen, die sich schlecht pushen lassen. Aber auch hier gibt es Alternativen. Natürlich könnt ihr euren Kindern nicht die Entscheidung überlassen, keine Jacke zu tragen, wenn es in Strömen regnet. Aber sie könnten selbst entscheiden, was sie unter der Jacke anziehen wollen: den Pulli mit den Dinos, die Hose mit den Tigern und dazu die rosafarbenen Socken? Kein Problem. Das stärkt das Selbstbewusstsein und den Sinn für Verantwortung sich selbst gegenüber. Eigene Entscheidungen zu treffen und auch mit ihren Konsequenzen zu leben, ist wichtig. Es zeigt Kindern auch, dass wir sie als eigene kleine Menschen schätzen und sehen. Dass wir ihre Werte, Ideen, Wünsche und Bedürfnisse wahrnehmen und respektieren.
Aber auch hier gilt: Das richtige Maß ist entscheidend. Werden die Auswahlmöglichkeiten zu groß, kann das schnell überfordernd sein. Statt einer offenen Frage eignet sich eine mit mehreren Optionen – so können Kinder sich etwas besser vorstellen und selbst entscheiden, welche Option ihnen gerade am meisten zusagt. Es kann auch vorkommen, dass eine Entscheidung vielleicht zu voreilig war und ein Plan nach hinten losgeht. Auch das kommt vor und ist total normal. Wichtig ist, dass ihr als Eltern zur Stelle seid und für euer Kind die Verantwortung übernehmt. Beim nächsten Mal klappt es sicher schon besser.
4. Raum geben
Unabhängig zu werden, geht nur, wenn wir unseren Kindern auch den Raum dafür geben – im Kopf und auch wortwörtlich. Ein Beispiel: Lasst sie alleine spielen und werft vielleicht ab und zu unauffällig einen Blick ins Kinderzimmer, ob alles in Ordnung ist. Wird ein großer Streit entfacht, der nicht ohne uns gelöst werden kann, können wir immer noch eingreifen. Vieles schaffen unsere Kinder aber auch schon ohne uns. So geben wir ihnen die Chance, erst einmal selbstwirksam nach eigenen Ideen oder Lösungsansätzen zu suchen, und liefern ihnen nicht immer gleich die perfekte Vorlage. Andere Beispiele sind: in Sichtweite mit dem Fahrrad vorfahren, die Post holen oder die Treppe bis zur Wohnung in den zweiten Stock alleine gehen lassen. Indem wir ihnen jeden Tag die Chance geben, etwas alleine zu bewältigen, stärken wir sie.
5. Nicht alles verbessern
Überlassen wir unseren kleinen Rabauken das Ruder, dürfen wir auch nicht zu kritisch mit dem Ergebnis sein. Das ist eine gute Übung, unsere eigenen Ansprüche und Perfektionsgedanken infrage zu stellen. Denn letztlich ist es doch vollkommen egal, wie die Spülmaschine eingeräumt oder das Bett gemacht ist. Wichtig ist, dass unsere Kinder das alleine tun wollen. Korrigieren wir sie dabei ständig, kommt ihnen die intrinsische Motivation abhanden und sie werden uns wahrscheinlich häufig bitten, die Aufgabe für sie zu übernehmen.
6. Wohnung/Haus so einrichten, dass Kinder sich unabhängig bewegen können
Wenn Kinder einziehen, ziehen mit ihnen auch mehr und mehr kinderfreundliche Dinge ein. Was wir aber gerne vergessen: Garderobenhaken, Küchenschränke oder Bücherregale sind oft nicht zu erreichen für die Kleinen. Daher macht es Sinn, die Einrichtung der Wohnung oder des Hauses zu überdenken und Dinge dahingehend zu ändern, dass eure Kinder unabhängiger agieren können. Kommen sie an ihre Becher und Teller? Können sie ihre Jacke selbst aufhängen? Können sie sich ihre Kleidung selbst aus dem Schrank holen? Kleinigkeiten wie kleine Hocker oder eine freigeräumte Schublade in erreichbarer Höhe können bereits Game-Changer sein.
7. Selbst bestellen und bezahlen lassen
Gerade auch im Vorschulalter, wenn Zahlen und Buchstaben so langsam interessant werden, kann auch das selbstständige Bestellen und Bezahlen die Unabhängigkeit fördern. Mit uns als Unterstützung im Schlepptau trauen sich unsere Kinder vielleicht schon, im Café die heiße Schoki selbst zu bestellen oder das Geld für den Markteinkauf alleine zu zählen und damit zu bezahlen. Auch das sind kleine Schritte, die aber sehr viel Selbstvertrauen schaffen und ein kleines Stückchen unabhängiger machen.